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Dokumentation

„Ein guter Hirte der Franken“

Predigt von Bischof Dr. Franz Jung beim Pontifikalrequiem für Bischof em. Dr. Paul-Werner Scheele am Samstag, 18. Mai, im Kiliansdom in Würzburg

Die Vollendung des Menschen im dreifaltigen Gott

„Nachdem auf Erden das Amen des Glaubens gesprochen ist, wird im Himmel das Amen des Schauens möglich und fällig:

das Amen unbegrenzter Liebe, das Amen unzerstörbarer Gemeinschaft, das Amen der jubelnden Zustimmung, das Amen des dauernden Friedens, das Amen der unbändigen Freude (…) Ohne Unterlass dürfen wir durch Christus, mit ihm und in ihm in der Einheit des Heiligen Geistes unserem Vater sagen: ,Abba, Vater! Abba, Amen, Alleluja‘.“

Für Bischof Paul-Werner hatten diese seine Worte den Charakter eines geistlichen Vermächtnisses. Wünschte er doch, sie mögen auf seinem Sterbebildchen abgedruckt werden. Die Vollendung des menschlichen Lebens war für ihn die Vollendung in der Gemeinschaft des dreifaltigen Gottes. Was uns in der festen Hoffnung des Glaubens zugesagt ist, erbitten wir heute auch ihm aus ganzem Herzen.

Noch am 6. April konnten wir mit Bischof Paul-Werner in heiterer, kleiner Runde die Vollendung seines 91. Lebensjahres begehen. Wieder einmal im Krankenhaus, wie so oft im vergangenen Jahr. Er ahnte bereits, wie es um ihn stand. Allerdings rangierte für ihn das Feiern des Geburtstages erst an zweiter Stelle. Der Namenstag war für ihn das viel wichtigere Datum, wie er stets betonte.

Denn wenn der Mensch bei seiner Geburt als Gottes Geschöpf auch den Auftrag erhält, die Welt schöpferisch mitzugestalten, so wird er doch kraft der Taufe zu einem neuen Leben in Christus geboren und erhält den Auftrag, die Welt in Christus umzuformen.

Diesen doppelten Auftrag als Mensch und als Christ hat Bischof Paul-Werner bis ins hohe Alter hinein gewissenhaft und mit der ihm eigenen Freude erfüllt als Priester, Hochschullehrer, Bischof und weltweit geschätzter Fachmann für Ökumene.

Für ihn gilt das Wort aus der Offenbarung des Johannes, das wir eben in der Lesung gehört haben:

„Selig die Toten, die im Herrn sterben,
sie sollen ausruhen von ihren Mühen;
denn ihre Werke begleiten sie.“ (Offb 14, 13)

Unermüdlich als guter Hirte seiner Diözese

24 Jahre lang leitete Bischof Paul-Werner das Bistum Würzburg, von 1979 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2003. Während seiner langen Amtszeit ging sein Bemühen immer dahin, mehr das Gute zu stärken anstatt über das Schwere zu klagen.

Nahm die Zahl der Priester auch ab, förderte Bischof Scheele das Engagement der Laien. Das Miteinander der verschiedenen Dienste in der Pastoral war in der Amtszeit Bischof Scheeles selbstverständlich geworden. Jeder war eingeladen, aktiv seinen Teil zum Leben der Pfarrgemeinde beizutragen.

Darüber hinaus mahnte Bischof Paul-Werner regelmäßig, die karitativen Dienste nicht zu vernachlässigen. Den Kranken und Notleidenden wende sich Christus bevorzugt zu, und ihnen gelte sein Verständnis. Deshalb sind wir „gut beraten, wenn wir uns an die Armen halten, wenn wir die Freundschaft der Freunde Jesu suchen, wenn wir helfen, wo immer wir helfen können“.

Besondere Initiativen von Bischof Paul-Werner waren der Solidaritätsfonds „Arbeitslose“ und die Stiftung „Miteinander für das Leben“. Viele Menschen in Unterfranken erhalten von beiden Einrichtungen bis heute Hilfen für die Bewältigung ihrer alltäglichen Probleme.

Bischof Scheele hatte auch die geistigen und geistlichen Bedürfnisse der Menschen im Blick. Das zeigte sich in seiner Aufgeschlossenheit für zahlreiche kulturelle Initiativen. Hier sei nur an seine Vorliebe für den Komponisten Anton Bruckner erinnert, dessen Musik er besonders förderte und an der er sich bis in die letzten Tage hinein erfreute.

Engen Kontakt hielt Bischof Scheele zu den zahlreichen Missionsorden im Bistum und zu den aus dem Bistum stammenden Missionsschwestern und Missionaren.

„Mission ist eine ständige Provokation für alle, die in den Dienst des Reiches Gottes berufen sind“, pflegte er zu sagen. In dieser Überzeugung begründete er 1989 die Partnerschaft mit der tansanischen Diözese Mbinga.

„Nicht als Patenschaft, sondern als Partnerschaft“ wollte er die deutsch-tansanische Beziehung verstanden wissen. Denn: „Jede Diözese ist ganz Kirche, aber nicht die ganze Kirche. Sie ist Teilkirche, aber nicht ein Kirchenteil. All das verpflichtet Papst und Bischöfe zu vertrauensvoller Zusammenarbeit, in der die Position aller beachtet und geachtet wird.“

Drei besondere Jubiläen fielen in seine Amtszeit als Bischof:

• 1989 die 1300-Jahr-Feier des Martyriums der Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan,

• 1992 das 1250. Jubiläum der Bistumsgründung

• und schließlich das große Jubiläumsjahr 2000.

Bei all diesen Jubiläen blickte Bischof Scheele nie nur zurück, sondern fragte nach dem geistlichen Ertrag für seine Zeit. So erschloss er beispielsweise die Spiritualität der Frankenapostel für die Menschen von heute.

Mit dem Zitat aus der Kilians-Vita „Fest miteinander vereint brachen sie auf“ stellte Bischof Scheele die Glaubensweitergabe im Frankenland als Teamarbeit dar und damit als nachahmenswertes Vorbild für unser heutiges Bemühen, den Glauben zu vermitteln.

Die Erinnerung an das Zeugnis der Bistumsheiligen wachzuhalten, war im Übrigen eines seiner vordringlichsten Anliegen. Anstecken lassen sollten sich die Gläubigen vom Feuer, das in diesen Menschen brannte. Er förderte maßgeblich die Verehrung des Märtyrerpriesters Georg Häfner und der Mystikerin Julitta Ritz. So ist es auch kein Zufall, dass die Figuren der Heiligen heute sinnenfällig den Chor unseres Domes zieren, der unter seiner Regie neu gestaltet wurde.

Im Einsatz für die Einheit der Christen

Engagiert in Sachen Ökumene war Paul-Werner Scheele bereits seit seiner Taufe, wie er launig bemerkte. Das war nicht nur als witziges Bonmot gedacht, sondern wie so oft hintersinnig und ernst gemeint. Ihm war es ernst mit der Wahrheit, dass katholische, orthodoxe und evangelische Christen durch die eine Taufe schon jetzt in einer tiefen, wenngleich nicht vollen, Weise eins sind. Durch die Taufe sind wir schon Schwestern und Brüder in Christus. Die Wiederentdeckung unserer Geschwisterlichkeit und die daraus erwachsenen Freundschaften waren für ihn jenseits der ökumenischen Dokumente das eigentliche und wichtigste Ergebnis der Dialoge.

Ebenso wusste er jedoch, dass diese Geschwisterlichkeit „nicht nur verbindet, sondern auch verbindlich sein möchte“. Ein Meilenstein auf dem Weg zu größerer Verbindlichkeit und damit zur Einheit zwischen Katholiken und Lutheranern wurde 1999 mit der Unterzeichnung der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ erreicht, an deren Vorbereitung Bischof Paul-Werner maßgeblich mitgewirkt hat.

Sein theologischer, geistlicher und pastoraler Erfahrungsschatz hat zahllose ökumenische Arbeitsgruppen auf nationaler und internationaler Ebene bereichert. Mit viel Geduld, einer beeindruckenden Fähigkeit zur Kommunikation, nicht zuletzt mit seinem feinen Sinn für Humor und einer unerschütterlichen Loyalität zur Kirche hat er intensiv daran gearbeitet, die Bande der Freundschaft zwischen den getrennten Christen zu stärken und Erinnerungen an Verwundungen zu heilen.

In einer genialen Formulierung sprach er von der „Weitervereinigung“ der getrennten Christen. Nicht Wiedervereinigung im Sinne einer Rückkehr-Ökumene war angesagt, sondern Weitervereinigung war seiner Ansicht nach gefragt. Im ernsthaften theologischen Ringen ist es uns aufgetragen, ohne faule Kompromisse nach dem Verbindenden zu suchen und so die getrennten Kirchen weiter zu vereinigen. Seine unverwüstliche Hoffnung war diesbezüglich kein billiger Optimismus, sondern die im Glauben begründete Zuversicht, dass der Geist Gottes vollenden wird, was er begonnen hat.

Ja, Bischof Scheele ging es zutiefst um einen geistlichen Ökumenismus. Denn von ihrem Ursprung her ist die Ökumene eine Gebetsbewegung, die zurückreicht bis in den Abendmahlssaal. Hier hat Jesus am Vorabend seines Todes gebetet, „dass alle eins seien“ (Joh 17, 21). Theologie im Geist der Ökumene zu betreiben bedeutet, sich dieses Gebet des Herrn zu eigen zu machen im Vertrauen darauf, dass jedes Gebet im Namen Jesu der Erhörung gewiss sein darf.

Ein guter Hirte der Franken

Den Menschen seines unterfränkischen Bistums war Paul-Werner Scheele sehr zugetan. Schon die erste Berührung mit dem Frankenland während der Zeit des Zweiten Weltkrieges beschrieb der spätere Bischof mit bewegenden Worten: „Nach dem Gottesdienst war es noch zu früh, sogleich das Nachtlager aufzusuchen. Deshalb gingen wir Richtung Maintal auf die nächste Anhöhe. Das Bild, das sich mir dort bot, ist seither mit mir gegangen. Es war ein Bild des Friedens, ein Kontrastbild zu allem, was man sonst erlebte. Wie ein Gottesgarten bot sich das Maintal vor uns dar. Zwischen Feldern, Wiesen und Wäldern im lichten Frühlingsgrün lagen Ortschaften, deren Häuser sich eng um die Kirche scharten.“

Seitdem trat das unterfränkische Land immer wieder in sein Leben, bis es schließlich für ihn als Bischof von Würzburg zu seiner Heimat geworden war. Manch Einheimischer war überrascht, dass der Bischof aus dem Sauerland weit mehr Wege und Einzelheiten Unterfrankens kannte als er selbst. Das Land, die Menschen, die es bewohnen, der Glaube, der darin lebendig ist, und dessen vielfältige Ausdrucksformen in Kunst und Architektur gehörten für ihn untrennbar zusammen. Er schrieb: „Die Bildstöcke in Weinbergen, Wiesen und Feldern oder die Figuren der Gottesmutter und der Heiligen an Brücken und Bauten sprechen vom Glauben unserer Väter und geben Zeugnis dafür, dass Glaube und Alltagsleben zusammengehören.“

Reißerische Auftritte lagen Bischof Paul-Werner fern. In seiner Sorge um die Menschen ging es ihm stets um aufmunternde und liebevolle Begegnungen aus dem Glauben. Sein Führungsstil war geprägt vom Zuhören. Weil uns der Herr durch jeden etwas sagt, hat jeder auch etwas zu sagen. „Von grundlegender Bedeutung ist der Dialog, das Aufeinanderhören, das Miteinanderreden und der wechselseitige geistige Austausch. Der Dialog, den die Kirche allen Menschen schuldet, muss zuerst im eigenen Bereich praktiziert werden.“

Mitbestimmung hieß für ihn aber auch Mitverantwortung. Für ihn stand fest: „Angesichts der Unterschiede vor Ort und der Vielfalt der Möglichkeiten lässt sich das Pastoralkonzept von dem Grundsatz leiten: so viel Verbindlichkeit, wie unbedingt nötig; so viel Freiheit, wie eben möglich. Keiner soll gegängelt, alle sollen motiviert werden.“

Angesichts zurückgehender Zahlen auf die schwierige Situation der Kirche befragt, antwortete Paul-Werner Scheele: „Man darf sich aber nicht durch Statistiken alleine irritieren lassen. Der soziale Druck, in die Kirche zu gehen, ist heute weg. Aber die, die kommen, sind anders dabei als die, die vom sozialen Druck getrieben worden sind. Das muss man wiegen, nicht zählen.“

Gott und Mensch helfen zusammen, Gottes Wirken und unser Tun fallen in eins. Das schenkt Gelassenheit. Echte Gelassenheit, weil Gott uns lässt. Sie ist das Gegenteil von falscher Nachlässigkeit. Sie ermutigt dazu, bedächtig, aber entschieden den nächsten Schritt zu gehen. Eine Grunderfahrung des Glaubens, die nicht zuletzt vom Bergwandern inspiriert war, bei dem sich Bischof Paul-Werner jährlich Kraft holte.

„Wenn man auf sich wirken lässt, was alles zu tun ist, kann einem schwindelig werden“, so Scheele, „man kann sogar in die Versuchung kommen, selber aktiv zu schwindeln, sich und anderen etwas vorzumachen. Umso wichtiger ist, dass wir Schritt um Schritt vorangehen, dass wir uns daranmachen, ‚heute und morgen zu handeln‘.“

Bischöfe kommen und gehen, Jesus Christus bleibt

Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums seiner Bischofsweihe am 9. März 2015 erinnerte Bischof Paul-Werner noch einmal an den dreifaltigen Gott: „Mein Dank gilt zuerst dem dreieinen Gott. Er hat mich berufen und gesandt. Er hat mein Versagen verziehen. Er hat mir immer wieder aufs Neue seine Gnade geschenkt. Er hat mir auch den Beistand Ungezählter zukommen lassen. (…) Von Herzen möchte ich für die Gemeinschaft mit Ihnen allen, für den gemeinsamen Einsatz und für die mir persönlich geschenkte Hilfe danken.“

Als Zeichen seiner Dankbarkeit überreichte er – wie so oft – ein Büchlein. Darin beschloss er seine Betrachtungen mit einem Wunsch, der seinen bischöflichen Wahlspruch aufgriff: „Möge uns alles dem Reich Gottes entgegenführen, das ,Friede und Freude im Heiligen Geist‘ ist (Röm 14, 17).“

Diesen Frieden und diese Freude in der Gemeinschaft des dreifaltigen Gottes wünschen wir ihm jetzt in der Stunde des Abschieds von Herzen.

Die Worte, die er bei seiner Verabschiedung als Bischof hier im Kiliansdom am 13. Juli 2003 sprach, klingen am heutigen Tag wie sein Vermächtnis:

„Bischöfe kommen und gehen, Jesus Christus bleibt.

Halten wir uns an ihn, halten wir zu ihm, was immer auch kommt.

Setzen wir uns mit ihm für das Reich Gottes ein, helfen wir mit ihm, wo immer wir helfen können.

Tun wir mit ihm, was eint; tun wir es in allen Bereichen unseres Lebens: in den Familien, den Pfarrgemeinden und Dekanaten, in unserer Diözese, in der weltweiten Kirche und in der gesamten Ökumene.“

Danke, lieber Bischof Paul-Werner!

Ruhe in Frieden!

Amen.