Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Gottvertrauen und Zusammenhalt

Predigt von Weihbischof Ulrich Boom beim Pontifikalamt zum Tag der Politiker und Laienräte in der Kiliani-Wallfahrtswoche, 5. Juli 2010, im Kiliansdom in Würzburg

Schwestern und Brüder!

Es geht ins Endspiel. Auf Straßen und in Gärten erleben wir zurzeit eine große Fest- und Feierstimmung. Es entsteht der Eindruck, dass mit dem Finale auch ein gutes Ende kommt. Ein guter Geist herrscht vor im Blick auf Zusammenspiel und Zusammenhalt, an Motivation und Engagement.

Werfen wir einen Blick auf unsere Gesellschaft, mag auch so mancher sagen: Es geht ins Endspiel. Doch hier hat das wenig Euphorisches. Durch den Freudentaumel werden eher die Fragen und Probleme verdrängt, die wir zurzeit haben in all den Wirren und Turbulenzen. Es fällt nicht leicht, den Durchblick zu bekommen in unserem Land und in der Welt, landauf – landab. Und der Raum des Glaubens, die Kirche, ist auch keine heile Welt, das haben wir in den letzten Wochen und Monaten übermächtig erfahren. Es gibt Schuld, Versagen, Vergehen in ihr. Da hilft kein Schönreden, eher das Einsehen, dass wir Menschen sind mit Schwächen und Fehlern, nicht heilig, sondern auf dem Weg zur Heiligkeit.

Wir reden von den Krisen in der Gesellschaft und in der Kirche. Gewiss erfahren wir Durcheinander und Chaos von Gründen, Meinungen, Stellungnahmen, Lösungen. Aber Krise meint nicht chaotische Zustände, sondern „Krisis“ heißt Entscheidung. Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Wir spüren, dass wir an die Grenzen unseres Vermögens herangekommen sind.

Wir haben uns hier an diesem Abend versammelt zur Feier der Eucharistie als Vertreter des politischen Lebens und als Laienräte in unseren Pfarreiengemeinschaften mit den Pfarrgemeinderäten und Kirchenverwaltungen. Und das in der Kilianiwoche, wenn viele Tausend Menschen nach Würzburg kommen zu den Frankenaposteln Kilian, Kolonat und Totnan. Bei ihnen können wir durch ihr Leben und Sterben Orientierungshilfen für uns erhalten. In diesem Sinn waren sie kluge Köpfe, die uns hilfreiche Gedanken und Inspirationen für unser Leben heute mitgeben können.

Gottvertrauen und Zusammenhalt haben ihnen Kraft und Mut gegeben, vor über 1300 Jahren ihre klösterliche Heimat in Irland zu verlassen und sich auf Neues einzulassen.

Gottvertrauen

Ich glaube, die Krise unserer Gesellschaft ist: Wem kann ich vertrauen. Wir spüren und erfahren Schuld und Versagen, Scheitern und Misslingen bei anderen und – wenn wir ehrlich mit uns sind – bei uns selbst. Wir sind und bleiben Menschen, die im Menschlichen und Sachlichen immer etwas schuldig bleiben. Wir sind eben nicht perfekt. Vielleicht reden wir uns und anderen das ein. Das geschieht in der Gesellschaft. Was können, vermögen und leisten wir nicht alles. Es ist vieles, aber nicht alles. Der Euro und alles Kapital schaffen noch nicht ein wert-volles Leben, sie sind Grundlagen, wichtig, aber nicht entscheidend. Und im Raum der Kirche verhalten wir uns oft nicht anders. Wir sind leicht versucht, da gleichzuziehen.

Kilian und seine Gefährten lebten aus dem Geist: Es muss im Leben mehr als alles geben. Das „Mehr an Leben“ konnten sie sich nicht selber geben. Sie wussten sich als Geschöpfe des Schöpfers. Darum konnten sie Altes loslassen und sich auf Neues einlassen im Vertrauen auf Gott. Ihr Aufbruch war ein Glaubensakt, Vertrauensakt.

Überall, wo wir Vertrauen in Gott und Menschen legen, holen wir ein Stück Himmel auf die Erde. Umgekehrt – mit Misstrauen machen wir uns das Leben zur Hölle. Das merken wir in allen Bereichen in der großen und kleinen Welt, im Öffentlichen und Privaten. Wenn wir als Kirche aus der gegenwärtigen Situation etwas lernen können, ist es das, dass Gott Mitte und Zentrum des Lebens ist. Das ist vielfältig ein Akt der Umkehr, auch für uns selbst als Verantwortliche in den Gemeinden, im Gemeindeleben und im Leben der Kirche.

Zusammenhalt

Wir erleben eine Welt, die zunehmend auseinanderfällt in arm und reich, stark und schwach. Es gilt, das Gesamte im Blick zu haben. Eine gute Mannschaft hat ein gutes Zusammenspiel. Eigeninteresse und Machtspiele sind eher hinderlich als förderlich zur Erreichung eines Sieges, eines Zieles. Kilian und seine Gefährten wussten, dass sie einander brauchten. „Miteinander vereint brachen sie auf“ lesen wir von ihnen.

Wenn wir der Welt ein Zeugnis zu geben haben, dann ist es das der versöhnten Verschiedenheit. Die Welt wartet nicht auf eine Verdoppelung einer hoffnungslosen Zerstrittenheit, sondern auf das Zeugnis einer hoffnungsvollen Einheit. Dieses Zeugnis ist in unserem Dienst an der Welt als Christen immer mit einem Bußakt verbunden. Wir wissen von unseren Grenzen. Es gilt, den Herrn immer wieder zu bitten, dass an uns und in unserer Mitte die Seligpreisungen erfahrbar werden. Dass Gott, der uns in Jesus Christus sein Gesicht gezeigt hat, in unserem Alltag sichtbar wird.

Der Ruf im letzten Buch der Heiligen Schrift in der Offenbarung des Johannes: „Komm, Herr Jesus – Maranatha“ ist keine Bitte der Endzeit und auf die Endzeit hin gerichtet. Sondern hier und jetzt, wo wir am Ende sind und aus eigener Kraft nichts vermögen, bitten wir den Herrn: „Komm, Herr Jesus“. Kilian und seine Gefährten haben aus dem Glauben gelebt, dass der Herr ihnen nicht erst „endzeitlich“ nahe ist, sondern schon „zeitlich“, in dieser Zeit, jetzt. Er ist gegenwärtig in unserem Alltag, an allen Tagen. Amen.