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Dokumenation

„Christlicher Glaube hat gestaltende Kraft“

Predigt von Weihbischof Paul Reder beim Gottesdienst am Kiliani-Tag der Räte und Politiker am Montagabend, 7. Juli 2025 im Würzburger Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder Christi, liebe Verantwortliche in Politik und Gesellschaft,
liebe Engagierte in den Gremien unseres Bistums und der Kirchengemeinden,

dass die Hoffnung eine Kraft ist, die uns zu neuen Ufern aufbrechen lässt, wird an Kilian und seinen Gefährten beispielhaft deutlich. Denn die treibende Kraft hinter ihrer Unternehmung, die heimische Insel Irland und ihre vertraute Klostergemeinschaft zu verlassen, war keine Abenteuerlust. Vielmehr war damit die Hoffnung verbunden dort in der Fremde, Jesus Christus und seiner Frohen Botschaft besonders nahe zu sein. Ihr Leitbild war die „Peregrinatio pro Christo“, das hieß: um Christi willen die Heimat zu verlassen und außerhalb Irlands vor allem auf dem europäischen Festland Zeugnis für die Hoffnung zu geben, die ihr eigenes Leben erfüllt hat.

Ihr Zeugnis christlicher Hoffnung, das sich von Zweckoptimismus oder positivem Denken unterscheidet, hat bereist Paulus der christlichen Gemeinde von Rom ans Herz gelegt. Bemerkenswert hierbei ist, dass für ihn die Hoffnung in Erfahrungen begründet liegt, die bereits bewältigt wurden. Aus der Bedrängnis kann so über Geduld und Bewährung eben auch Hoffnung wachsen

Ich halte das gerade in einer gesellschaftlichen Situation, die von vielerlei Bedrohungsszenarien und Unsicherheitsfaktoren gekennzeichnet ist, für einen wichtigen, wenn nicht sogar den entscheidenden Punkt für die Zukunftsgestaltung. Damit ist die Frage verbunden: gehe ich den Weg einer begründeten Hoffnung, die auf dem Boden der Erfahrung wächst, dass sich auch schwierige Etappen meistern lassen oder ergebe ich mich dem zufälligem Fatalismus, also blinden Schicksalsmächten schutzlos ausgeliefert zu sein?

In jeder Form des Engagements in Politik, Gesellschaft oder Kirche stellt sich die Frage, was uns antreibt. Ist unser Planen und Gestalten lediglich negativ motiviert, dann geht es vornehmlich darum geht, absehbar schlechte Konsequenzen zu vermeiden. Jetzt könnten wir eine lange Litanei des Notstandes durchgehen, die uns medial fast täglich präsentiert wird: Bildungsnotstand, Pflegenotstand, Energienotstand, Klimanotstand, Verteidigungsnotstand… Und in all diesen und weiteren Krisenfeldern sind die Ursachen komplex, so dass es gar keine schnellen Lösungen gibt.

Die christliche Hoffnung blendet nichts davon aus, denn sie ist kein billiges populistisches Versprechen. Vielmehr nimmt sie in den Blick, was die Frucht, das heißt die Erfahrung des bisherigen Weges ist, der durch Bedrängnis, Geduld und Bewährung zur Hoffnung führt – und diese Erfahrung sind uns nicht fern. Ich bin mir sicher, viele von ihnen kennen solche Situationen aus Ihrem eigenen Verantwortungsbereich: Entscheidungen unter Druck, Spannungen bis hin zu Feindseligkeiten, Polarisierungen und Interessenkonflikte, bei denen das Gefühl besteht, an Grenzen des Machbaren und an eigenen Grenzen zu stoßen. Aber ist das alles? Gibt es nicht auch Gelungenes?

Paulus - der übrigens mehrmals Schiffbruch auf hoher See erlitten hat und leidgeprüft im Umgang mit Konflikten war - sagt: Gerade durch Bewährung in solchen Bedrängnissen kann neue Hoffnung wachsen. Allerdings nicht als Autosuggestion aus eigener Kraft, sondern in der Vertrauenskraft auf Gottes Wegbegleitung. Und genau das ist die Glaubenserfahrung der Emmausgeschichte aus dem Evangelium. Sie erzählt von zwei Jüngern, die enttäuscht und ratlos auf dem Heimweg sind. Zutiefst verunsichert und in ihren Lebensplänen orientierungslos geworden, tauschen sie ihre negativen Erfahrungen aus. Sie haben jegliche Motivation verloren – bis der auferstandene Herr unerkannt mit ihnen geht. Ich finde es bemerkenswert, dass Jesus nicht an ihren Fragen und Zweifeln vorbeigeht. Im Rückblick fühlen sie sich gerade dort innerlich berührt, als er mit ihnen redet und ihre negativen Erfahrungen mit seinen eigenen leidvollen Erfahrungen in Verbindung bringt. Mehr noch, in seiner Gegenwart zeigt sich, dass der Ernstfall des Kreuzes nicht der Schluss-Strich Gottes ist. Hoffnung keimt dort auf, wo alle Grenzerfahrungen an Zweifeln, Krisen, Abgründen und vernichtenden Urteilen zum Teil eines Weges werden, der nicht in den Abgrund führt. Das Mahl, in dem der Weg der Emmausjünger sein Ziel findet steht dafür. Hier werden ihre Augen geöffnet, wofür auf dem Weg der Enttäuschung noch kein Blick war. Und jetzt gelingt auch ihnen ein Perspektivwechsel, um Erlebtes neu einzuordnen und ein neues Übergewicht der Hoffnung zu spüren, das sie sogar aufbrechen lässt, um mit denen in Jerusalem ihre Hoffnung zu teilen, die sie wenige Stunden zuvor enttäuscht verlassen hatten. Nicht aus eigenem Wunschdenken, sondern im Vertrauen auf Gott Hoffnungsträger zu sein, wird für sie zur positiven Motivation, der hilft Krisen gemeinsam zu meistern.

Die Emmausgeschichte zeigt, wie auch das Beispiel der Frankenapostel – Kilian, Kolonat und Totnan: christlicher Glaube hat gestaltende Kraft, wo er aus Hoffnungspotentialen schöpft, die wir aus menschlichen Kräften allein nicht generieren können. Ihr Wirken hat eine ganze Region geprägt und den Grundstein für eine christlich geprägte Gesellschaft gelegt. Hierin berühren sich biblische Botschaft mit der Glaubensgeschichte der Frankenapostel und unserer Gegenwart.

Als Christen sind wir – wie sie – berufen, Krisen nicht mit Gleichgültigkeit oder dem Rückzug ins Privatleben zu beantworten. Es gilt, unsere Gesellschaft durch uns geschenkte Hoffnungspotentiale aktiv mitzugestalten. Dieses Engagement aus christlicher Hoffnung ist keine Nebensächlichkeit, sondern Kern unserer Sendung als Christinnen und Christen gegen Resignation und Zukunftsängste diese Welt in Gottvertrauen mitzugestalten: durch Übernahme von Verantwortung in Staat, Gesellschaft und Kirche, durch entschiedenen Einsatz gegen Tendenzen und Kräfte, die mit Gewalt und Allmachtsphantasien unsere politische Kultur bedrohen, durch den erklärten Willen, sich solidarisch und mitmenschlich an die Seite derer zu stellen, die bedürftig sind, durch ökologische Sensibilität, die unsere Umwelt nicht nur als Natur, sondern als Schöpfung Gottes ansieht, die uns anvertraut ist und für die wir vor Gott Verantwortung haben. Für diese Aufgabe wird uns in der Kraft der Hoffnung eine Motiviationsgabe zuteil, um in allen Bewährungsproben Zukunft positiv zu gestalten.