Am vergangenen Palmsonntag war der Esel uns Führer in das Festgeheimnis. Am heutigen Gründonnerstag steht das Lamm im Mittelpunkt unserer Betrachtungen. Es führt uns ein in das Geheimnis der Eucharistie, deren Einsetzung die Kirche heute begeht.
Das Paschafest Israels und die Rettung vor dem Tod und Jesu Pascha als Rettung im Tod
Die Bedeutung des Lammes geht zurück auf die Anweisungen zur Feier des Paschafestes im Buch Exodus, die wir in der ersten Lesung gehört haben (Ex 12,1-14). Das Paschafest erinnert an den Auszug aus dem Land des Todes und Knechtschaft in Ägypten und den Einzug ins gelobte Land. In dieser Nacht wird das Lamm beides zugleich: Speise für die Familie und Schutzzeichen, um den Todesengel Gottes fern zu halten von den Häusern der Israeliten.
Jesus hat die Eucharistie auch als Pascha verstanden, als Übergang vom Tod zum Leben. Allerdings ist dieser Übergang keine Rettung vor dem Tod so wie Israel unversehrt und trockenen Fußes durch das rote Meer in die Freiheit zieht. Sondern es ist eine Rettung im Tod. Jesus nimmt den Tod auf sich, er wird selbst zum Lamm, das geschlachtet wird und das in seinem Sterben neues Leben bringt.
Den Vergleich zwischen dem Paschalamm und Jesus als dem wahren Lamm Gottes möchte ich kurz anhand der Lesung entfalten.
Das fehlerfreie Lamm als Hinweis auf Jesus Christus, der ohne Sünde ist
In der Anweisung zur Feier des Paschafestes heißt es, die Israeliten müssten „ein fehlerfreies Lamm“ nehmen für die Schlachtung. Nur ein reines Tier kommt als Opfergabe für Gott in Frage. Das fehlerfreie Lamm ist ein Hinweis auf Jesus Christus. Im Neuen Bund bringen nicht Menschen Gott ein Opfer dar. Sondern es ist umgekehrt. Gott versöhnt sich mit den Menschen. Weil Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich ist, ist er derjenige, der ohne Schuld ist. Denn die Schuld hinwegnehmen kann nur der, der selbst schuldlos ist und dessen Leben nicht vom Schuldzusammenhang dieser Welt gezeichnet ist. Insofern wird Jesus wahres Lamm Gottes. Er ist der Grund unserer Erlösung.
Statt der Tötung der Erstgeborenen Ägyptens gibt Gott seinen Erstgeborenen als Opfer hin, um unsere Herzen zur Umkehr zu bewegen und uns mit sich zu versöhnen
Im Buch Exodus war die Rede davon, dass Gott die Erstgeborenen der Ägypter in jener Nacht tötete als Vergeltung dafür, dass der Pharao die Erstgeborenen der Israeliten töten ließ. Durch diese Strafmaßnahme sollte das verhärtete Herz des Pharaos zur Umkehr bewegt werden. Er sollte verstehen, dass seine Schuld auf ihn zurückfällt, wenn er nicht umkehrt.
In der Eucharistie wird demgegenüber nicht der Tötung der Erstgeborenen gedacht. Vielmehr gedenken wir des Sterbens DES Erstgeborene Gottes. Statt die Menschen zu bestrafen, sie ihrer Schuld zu überführen und sie zur Umkehr zu zwingen, handelt der Gerechte anders. Aus Liebe zu Gott und zu uns Menschen gibt er sein Leben als Opfer hin und er hofft darauf, dass wir seine Hingabe als Angebot des Heils und Angebot zur Umkehr verstehen.
Beide Feiern verbindet das gleiche Ziel: Gott will unsere Hartherzigkeit lösen und uns mit ihm versöhnen. Nur so lernen wir, Maß zu nehmen am Vorbild Gottes, der vergibt und den Weg zur Umkehr eröffnet.
Wie das Blut des Paschalammes vor dem Tod rettet, so rettet auch Jesu Blut davor unser Leben zu verlieren
Das Blut des Lammes am Türrahmen war in der Nacht des Auszugs aus Ägypten die Lebensversicherung. Es schützte vor der Rache Gottes. Das Blut hielt den Tod ab und rettete Leben. Ebenso vergießt Jesus sein Blut, um uns zu retten. Indem Gott den Tod bewusst annimmt, verliert der Tod seine angsteinflößende Macht. Jesus offenbart uns das Geheimnis des göttlichen Lebens: Leben hat nur, wer Leben verschenkt. Deshalb kann Jesus sagen: Wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es gewinnen.
So will uns das Blut Jesu davor bewahren, unser Leben aus eigener Schuld zu verlieren, wenn wir nur für uns leben. Gereinigt in der Kraft seines Blutes können wir den Dienst der Reinigung vollziehen wie ihn Jesus in der Geste der Fußwaschung eindrücklich an den Jüngern vollzogen hat.
Wie das Paschalamm in der Paschanacht als Speise dient, reicht sich Jesus auch selbst als Speise dar in der Kommunion
In der Nacht des Auszugs aus Ägypten diente das Lamm als Speise für jede Familie und letztes Sättigungsmahl. Auch im Abendmahlssaal gibt sich Jesus selbst als Speise hin der neuen Familie seiner Jünger. Es ist die Eucharistie, das Mahl, bei dem jeder Teilnehmer Anteil erhält an seinem Fleisch und seinem Blut, so dass wir mit ihm eins werden. Er feiert heilige Kommunion. Die Kirche lebt aus dieser Speise, die sie mit Christus aufs Innigste vereint. Wer von dieser Speise genährt wird, der kann wie Christus sein Leben für andere einsetzen und anderen dienen.
Wie des Pascha jedes Jahr aufs Neue gedacht werden soll, trägt auch Jesus seinen Jüngern auf, das Sakrament der Eucharistie immer neu zu feiern
Was in der Paschanacht geschah, soll durch die Feier des Paschafestes jährlich neu in Erinnerung gerufen werden. Ebenso sagt Jesus am Ende des Mahles: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“. Und am Ende der Fußwaschung fordert er die Jünger dazu auf, seinem Beispiel zu folgen und einander die Füße zu waschen. Die Mahlfeier und die Fußwaschung sind dann nicht nur eine Erinnerung an etwas längst Vergangenes. Sie werden vielmehr zum Sakrament, zu einer wirksamen Handlung, in der die Kirche sich des Ursprungs ihres Heils vergegenwärtigt, um verwandelt zu werden. Die Feier der Eucharistie muss sich in der Fußwaschung und dem Dienst aneinander bewähren und bewahrheiten. Denn dann leben wir wirklich in seiner Gegenwart.
Wie Israel in der Paschanacht wachen soll, so bittet auch Jesus seine Jünger, wachzubleiben und zu beten, um ihr persönliches Pascha zu bestehen
Die Nacht des Auszugs aus Ägypten sollte als große Nachtwache gefeiert werden, um bereit zu sein für die Stunde des Aufbruchs. Auch Jesus hält seine Jünger dazu an, wach zu bleiben und zu beten. „Bleibet hier und wachet mit mir!“ sagt er. Denn die Hingabe des eigenen Lebens bleibt immer eine Entscheidung, die durchbetet werden muss und zu der man sich durchringen muss.
Aber die Jünger schliefen in dieser Nacht ein. Sie waren müde. Denn die Hingabe des Lebens geht über die menschliche Kraft hinaus und bleibt ein Geschenk Gottes. Heute Abend wacht die Kirche. Wir beten um eine gute Vorbereitung für die Stunden in unserem Leben, in denen uns mit Christus abverlangt wird, für die Schwestern und Brüder unser Leben hinzugeben.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser!
Direkt vor dem Kommunionempfang beten wir: Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser! Heute Nacht beten wir in der Anbetung in besonderer Weise darum, dass Christus das Lamm Gottes die Sünde der Welt hinwegnehmen möge. Und er möge sich seiner Kirche erbarmen, damit sie in all ihrer Schwachheit und in all ihrem Versagen dieses Opfers würdig werde und damit sie selbst mittragen lerne an der Sünde der Welt.