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Das Leben verstehen und in Freude meistern

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann beim Pontifikalamt zum Tag der Katholischen Schulen in der Kiliani-Wallfahrtswoche, 5. Juli 2010, im Kiliansdom in Würzburg

Liebe Mädchen und Buben, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebe Schwestern und Brüder im Herrn.

Vor einigen Tagen war ich zu einem Gestaltungswettbewerb für die Deckel eines Evangelienbuches in Essen. Viele – zumeist junge Künstlerinnen und Künstler – haben Vorschläge eingebracht, die einen großen Ideenreichtum zeigten. Neben schon Bekanntem wie die Symbole von Alpha und Omega, die für Christus als Anfang und Ende stehen, gab es auch ganz Ungewohntes wie zum Beispiel vier auf den Buchdeckel aufgesetzte Trompeten für die vier Evangelien, die in alle Welt hinausposaunt werden sollten.

Eine Arbeit hat mich direkt neugierig gemacht: Es war ein Einband, der in Blindenschrift den Anfang des Johanesevangeliums über Vorder- und Rückseite verteilte. Ich dachte zuerst, was soll das? Nur ein Blinder vermag diese erhabenen aus Punkten zusammengesetzten Zeichen zu verstehen. Wollte uns die Künstlerin oder der Künstler darauf aufmerksam machen, dass wir wie Blinde sind, wenn wir nicht das Evangelienbuch aufschlagen und die Botschaft lesen? Oder sollten wir – unabhängig von der Blindenschrift – begreifen, dass es einen Code gibt, den man nur versteht, wenn man entschlüsselt?

Vieles in unserer Kirche, ja, in unserer Verkündigung des Glaubens ist nicht so leicht zu verstehen. Wir bedienen uns oft der Bilder, Vergleiche oder der Gleichnisse, die zunächst einmal entschlüsselt werden müssen, damit die Botschaft verstanden werden kann. Diese Aufgabe, wirklich verstehen zu lernen, was Gott uns in der Heiligen Schrift sagt, was Christus uns verkündet, ist nicht mit ein paar Religionsstunden zu lösen. Diese Anforderung bleibt im Grunde ein Leben lang – im Kindergarten, in der Schule, Zuhause, in der Kirche und im Freundeskreis. Und auch ich bin ständig auf der Suche, gehaltvolle und berührende Inhalte der Frohen Botschaft neu und tiefer verstehen zu lernen.

Zu Beginn der Heiligen Messe habt Ihr hier in unserem Dom eine Sonnenblume aufgerichtet. Mit begleitenden Worten habt Ihr gleichsam ihre Botschaft, nämlich die Vielfalt unseres Daseins und Zusammenlebens, entschlüsselt. Diese riesige Sonnenblume symbolisiert – so haben wir hören dürfen – mit Wurzel, Stängel, Blättern, Stempel und Blütenblättern eine vielfältige Gemeinschaft, unsere Gemeinschaft, die sich von der Wirklichkeit und Nähe Jesu Christi nährt.

So erfuhren wir durch die Erklärungen, dass die Wurzel Gott symbolisiere, der immer da ist und uns nährt. Der Stängel steht für Jesus, der uns immer nahe ist. Die Blätter stehen für die Menschen, die uns Vorbilder im Glauben sind. Der Stempel in der Mitte steht für den Glauben, der uns alle vereint. Und die Blütenblätter sind gleichsam wir, die wir sichtbar als Gemeinschaft die Kirche aufbauen.

Das Gleichnis vom Weinstock und den Reben, das wir eben im Evangelium gehört haben, kennt Ihr sicher schon. Der Weinstock steht für Christus, und mit den Reben sind wir gemeint. Nur wenn wir in Christus verbleiben, von ihm genährt und gestärkt werden, können wir sinnvoll leben und reiche Frucht bringen.

So ähnlich können wir uns auch an das letzte Buch der Heiligen Schrift heranwagen. Wir nennen es die Offenbarung des heiligen Johannes. Der Seher Johannes hat es am Ende des ersten Jahrhunderts – als er auf der Mittelmeerinsel Patmos verbannt war – aufgeschrieben. Er hatte dort eine Vision, die ihn gleichsam elektrisierte. Und er hörte hinter sich eine Stimme, laut wie eine Posaune. So hat er das Gehörte und Gesehene aufgeschrieben. Dieses Buch ist voll von Anspielungen, Symbolen, Vergleichen, denn es fehlten ihm oft die Worte und auch der Erfahrungshintergrund, um das Erlebte einigermaßen wiederzugeben.

Schon in der Eingangsvision, die wir eben in der Lesung hörten, ist von Christus die Rede, der als von den Toten Auferstandener im Himmel inmitten von sieben Leuchtern und sieben Sternen zu sehen war. Die sieben Leuchter und die sieben Sterne stehen nicht nur für die hier eigens aufgeführten sieben Gemeinden in Kleinasien, sondern für die ganze Kirche. Alle Christen, so wird hier gesagt, leben in der Gegenwart Jesu. Er ist mitten unter uns und bleibt bei uns, bis er am Ende der Zeiten, dann wenn diese Welt und der Kosmos untergehen, allen Menschen sichtbar kommen wird. Dann wird er alle Tränen abwischen, alle Ungerechtigkeiten beseitigen und uns ohne das Fallbeil der Zeit an seinem göttlichen Leben teilhaben lassen.

In diesem Dom ist hier hinten im Chorraum auf die Wiederkunft Jesu Christi und auf die Vollendung der Welt hingewiesen. Zu beiden Seiten sehen wir Gestalten, die auf die Zeuginnen und Zeugen verweisen, die uns in diesem Glauben vorangegangen sind. Sie wollen uns sagen: Wenn Ihr auch nicht alles versteht. Wenn auch manches im Leben unverständlich bleibt: Wir wollen Euch helfen diesen Code zu knacken. Schaut auf uns, die wir Euch vorangegangen sind.

In dieser Festwoche denken wir besonders dabei an die Frankenheiligen, oder wie wir auch sagen – die Frankenapostel – Sankt Kilian, Kolonat und Totnan, die unterhalb des wiederkehrenden Christus und des Lammes stehen. Wir denken aber auch an Maria Ward und ihre Stiftungs-Gemeinschaft, in der auch Ihr in Kindergarten und Schule einbezogen seid.

Unser aller Ziel, dass der Schwestern und Erzieherinnen, der Lehrerinnen und Lehrer, ist, Euch zu helfen, dass Ihr das Leben verstehen und in Freude meistern lernt und es mit dem Blick auf das Ziel unseres Lebens auch sinnvoll gestaltet.

So können wir alle miteinander voll Freude ausrufen, was uns der Seher Johannes am Ende seines Offenbarungsbuches, das wir auch Apokalypse nennen, in den Mund gelegt hat: „Komm, Herr Jesus – Maranatha!“ Amen.