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Die Bergpredigt als Sehhilfe

Predigt von Weihbischof Helmut Bauer beim Wallfahrtstag der Politiker, Laienräte und Mitglieder der Kirchenverwaltungen in der Kiliani-Wallfahrtswoche am Montag, 3. Juli 2006, im Dom zu Würzburg

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

Auf die Frage der ersten Jünger: „Meister, wo wohnst du?“ sagte Jesus im Johannes-Evangelium: „Kommt und seht!“ Dieses Jesus-Wort steht über unserer diesjährigen Kiliani-Wallfahrtswoche. Wir sind hier zusammengekommen, um buchstäblich auf die Häupter der Frankenapostel zu sehen. Wir sehen, dass sie – Kilian, Kolonat und Totnan – den Ruf Jesu einst umgesetzt haben in ihrem Leben. Heute geht dieser gleiche Ruf an uns. Wir sehen auch im Blick auf die Frankenapostel, was aus den Geschehnissen vor 1300 Jahren und vor 2000 Jahren geworden ist: Die Kirche von Würzburg hat sich gesegnet entfaltet. Die Weltkirche ist ein großartiges Zeichen der Treue Jesu trotz Kreuz und Passionsstunden.

Sie schauen jetzt auf den Prediger, genauer auf das Evangelium. Wie wollen durch das richtungsweisende Wort der Schrift gerade in Ihrem Verantwortungsbereich wieder Ermutigung erfahren und auf Jesus schauen, damit Ihr Tun in verschiedenen Aufgaben für die Gemeinschaft fruchtbar ist und zum Segen wird.

Und schließlich werden wir in der Feier der Liturgie aufgefordert: „Seht, das Lamm Gottes.“ Wir sollen also auf den schauen, den sie durchbohrt haben, der sich total für uns eingesetzt hat, der uns in der Feier der Eucharistie zeigt: „So sehr hat Gott die Welt geliebt ...“. „Kommt und seht!“ – das ist das Anliegen dieser Wallfahrtswoche, das ist das Geschenk dieser Woche, das ist der Auftrag dieser Tage.

Liebe Schwestern und Brüder!Wir schauen auf den Reliquienschrein unserer Frankenapostel, auf die Häupter der heiligen Märtyrer und Blutzeugen Kilian, Kolonat und Totnan. Wir haben keinen Grund zu zweifeln, dass wir hier auf die Häupter derer schauen, die als erste im Frankenland das Evangelium verkündet haben. Wir sehen zugleich und vergegenwärtigen uns, dass sie aus weiter Ferne zu uns gekommen sind, um Jesu willen und um den Menschen im Mainland die Botschaft von Gott und seiner Liebe zu uns in Jesus Christus zu verkünden. Wir sehen hier im Dom, was aus den bescheidenen Anfängen dieser Missionsarbeit geworden ist, und: Wir sehen, sie haben sich ganz in die Nachfolge Jesu bis zum Tod gestellt und wollten den Menschen wahre Freiheit und die wahre Welt- und Gottessicht verkünden. Ihr Scheitern war wie bei Jesu Sterben der Anfang einer unglaublichen Erfolgsgeschichte.„Kommt und seht!“ – das heißt für uns alle und für Sie besonders in den verschiedenen Aufgabenbereichen in Ihren Gemeinden: Seht – Euer ehrlicher Einsatz, Ihr vom Glauben geprägtes Tun und Handeln, also Ihr Bemühen um die Menschen in der Mitsorge Jesu für diese Welt, wird nicht fruchtlos sein, auch wenn Sie manchmal den Eindruck haben: Ich sehe keinen großen Erfolg. Was wir für Christus, seine Kirche, für die Menschen in ehrlicher und lauterer Gesinnung tun, bringt seinen Segen. Wir dürfen im Blick auf die Frankenapostel vertrauensvoll in die Zukunft sehen. Christus ist der Herr des Geschehens. Von ihm in die Pflicht einer Aufgabe und Verantwortung genommen zu sein, ist immer in langer Sicht von Segen und Gnade begleitet. Und in manchen scheinbaren Erfolglosigkeiten erweist sich letztlich doch die Kraft des Auferstandenen.

„Kommt und seht!“ Dieses Jesuswort an die ersten Jünger war ein Aufruf, mit den Augen Jesu die Welt, die Menschen zu sehen. Gerade in der Nähe Jesu, im Beisammensein mit ihm, im Hören des Wortes Gottes erfahren wir, wie es wirklich um die Welt steht. Auf Jesus schauen und die Worte der Bergpredigt hören, heißt hellsichtig werden für den wahren Zustand der Welt, wo unsere Zeit krankt, wo die Ursachen von so viel Unheil in unserer Zeit sind. In der Nähe Jesu sehen wir erst so richtig, wie es um uns in unserer Gesellschaft, um uns in der Kirche steht. Was uns fehlt, was uns Not tut.Die Bergpredigt, deren Anfang wir eben im Evangelium gehört haben, ist eine richtige Sehhilfe, die Welt und unsere Zeit recht zu sehen, aber auch die übrigen Gegenmaßnahmen, die Heilkräfte zu nutzen. „Selig, die arm sind vor Gott, ihnen gehört das Himmelreich!“ Unser ungeordnetes Trachten nach immer mehr Gewinnmaximierung und Produktionssteigerung ist wirklich nicht der Königsweg zum Himmel auf Erden. Wir brauchen wieder in allen Lebensbereichen die Klarsicht, dass es uns nichts nützt, wenn wir die ganze Welt gewinnen, aber an unserer Seele Schaden leiden. Die Werte, die Jesus, das Evangelium, aufzeigt, machen letztlich unser Leben, unsere Familie, unsere Gesellschaft, auch und gerade unsere Kirche reich.Sehen wir doch auch, wie das Evangelium zum Beispiel die Gewalt beurteilt, mit der manchmal die Dinge im eigenen Leben, in der Politik, gestaltet werden. „Selig, die keine Gewalt anwenden, denn sie werden das Land erben!“ Inzwischen ist uns allen klar geworden, dass mit Gewalt nichts, aber auch gar nichts letztlich erreicht wird. Das heißt aber nicht, dass wir die Vollmacht, die uns gegeben ist, nicht bewusst für friedliche Lösungen von Problemen gebrauchen dürfen. Aber über Leichen gehen – bringt uns weiterhin Tod! Die Frankenapostel, so sehen wir es nach 1300 Jahren – wären schon längst vergessen, hätten sie nicht nach dem Evangelium gelebt. Daher ist es verhängnisvoll, zu sehen, wenn die Verantwortlichen nicht stärker eintreten, dass ungeborenen Kindern und Alten keine Gewalt angetan werden darf, keine Gewalt gegen Fremde, gegen Ausländer. Subtile Gewalt in der Ehe wird auf die Dauer die Ehe zerstören. Die Frankenapostel haben gerade den Mächtigen jener Zeit aufgezeigt, dass man mit und in der Ehe nicht machen kann, was man will. Der Staat muss aber seine Macht einsetzen, die Einzigartigkeit der Ehe zu schützen.

Schließlich sind wir heute hier im Dom und hören eine Einladung Jesu „Kommt und seht!“ in einem ganz besonders liebevollen Ton. Wir sehen ihn als den, der uns einlädt, mitzufeiern und zu ihm zu kommen in der Feier seiner ganzen Hingabe in der Eucharistie. „Seht, das Lamm Gottes!“ heißt es vor dem Kommunion, heißt es in der rechten Sicht dieser ganzen Feier seiner Liebe. „Kommt und seht!“ – das ist heute eine sehr wichtige Aufforderung der Kirche gerade an uns Christen. In unserem Land ist in den letzten Jahrzehnten die Zahl der Sonntagsgottesdienstbesucher von 60 auf 16 Prozent zurückgegangen. Der Ruf der Kirche, der ja die Verstärkung des Wortes Jesu ist, „Kommt und Seht!“, wird überhört und das Geschehen im Gottesdienst, vor allem in der Eucharistiefeier nicht mehr in rechter Weise gesehen. Es geht bei der Feier der Eucharistie um mehr als nur um eine religiöse Feierstunde. Es geht um das zentrale Geschehen im Leben der Kirche. Unsere Päpste, vor allem der verstorbene Papst Johannes Paul II., wurden nicht müde, diese Einzigartigkeit und Bedeutsamkeit der Eucharistiefeier vor Augen zu stellen. Das Geheimnis der Eucharistie ist das Lebensgeheimnis, der Existenz, der Lebenskraft und der Zukunft der Kirche. Gerade Sie, liebe Brüder und Schwestern, die sie aus den verschiedenen kirchlichen Gremien heute hier sind, sollten mit dieser Einsicht gestärkt werden: Dem Gottesdienst darf nichts vorgezogen werden. Wir nehmen der kirchlichen Sozialarbeit, Jugendarbeit, der Caritas die eigentliche Kraft des Wirkens. Die heilige Messe ist die beste Stunde des Tages, der Woche. Alle Mühen um die rechte Sonntagsliturgie ist Dienst an der eigentlichen Lebendigkeit Ihrer Gemeinde. Ja, die heilige Messe ist unersetzbar für das Leben der Kirche, auch wenn wir in Notsituationen uns um das Wort Gottes versammeln sollen. „Kommt und seht – seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt, die Ursache aller Missstände und des Bösen.“

Liebe Schwestern und Brüder.

Johann Wolfgang Goethe beginnt ein Gedicht mit den Zeilen:

„Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt.“

Der Mensch will sehen, er darf sehen.

Sogar das größte Geheimnis: Gott ist in Jesus Christus sichtbar geworden. Das Johannes-Evangelium ist ein Evangelium, das uns Sehen, Schauen lehrt.

„Kommt uns seht“ – steht am Anfang.

„Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben“ – steht am Ende.

„Glücklich die Augen, die sehen, was ihr seht und glaubt.“

Amen.

(91 Zeilen/2706/0975)