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Kiliani-Wallfahrtswoche 2024

„Eintauchen in eine neue Welt“

Weihbischof Paul Reder besucht Behinderteneinrichtung Sankt-Josefs-Stift in Eisingen – Gottesdienst und Werkstattbesuch – „Keine Arbeit wie jede andere“

Eisingen (POW) Weihbischof Paul Reder nimmt die Arme in die Luft. „So hoch“, singt er mit den etwa 60 Menschen, die vor ihm in den Kirchenbänken sitzen. „So tief.“ Der Weihbischof geht in die Knie, legt die Hände auf den Boden. Einige der Männer und Frauen in den Kirchenbänken strecken ebenfalls die Hände gen Himmel und gen Boden. Ein Besucher hat seine gestreifte Blockflöte herausgeholt und pfeift ein paar Töne mit. Zwei Reihen weiter vorne klatscht ein junger Mann schwungvoll in die Hände, schaut seine Betreuerin an. Es war „festlich, feierlich und freudig“, wird Weihbischof Reder später sagen. Einen Gottesdienst wie diesen erlebe er nicht alle Tage. Heute feiert er die Messe mit den Menschen im Förderzentrum der Behinderteneinrichtung Sankt-Josefs-Stift in Eisingen. Er ist im Rahmen der Kiliani-Wallfahrtswoche hier

Schon den gesamten Mittwochvormittag, 10. Juli, hat der Weihbischof auf dem weitläufigen Gelände des Stiftes verbracht. Er hat die Werkstatt, die Förderstätte und Wohngruppen besucht, in denen Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden soll. Etwa 450 Bewohner leben und arbeiten in den bunt gestrichenen Gebäuden. Sie werden von 650 Mitarbeitenden unterstützt. Weitere Menschen mit Behinderung kommen nur zum Arbeiten in die Werkstatt und Förderstätte.

Auf den Wegen durch die Häuser trifft die kleine Gruppe aus Weihbischof und Leitung immer wieder auf verschiedene Beschäftigte und Bewohner. „Morgen“, rufen sie. „Morgen“, grüßt der Weihbischof. Für die meisten von ihnen scheint Weihbischof Reder erstmal nur ein freundlicher Besucher zu sein. Doch sobald Pastoralreferentin Brigitte Zecher erzählt, dass es sich um den neuen Weihbischof handelt, ist das Interesse geweckt. Sie begleitet die Besuchsgruppe ebenfalls durch die Räume. „Echt? Er?“, fragt Andrea, eine Frau mit kurzen schwarzen Haaren, als der Weihbischof in der Werkstatt der „Leichtmontage“ vorbeischaut. Sie winkt. „Hallo“, ruft sie. Weihbischof Reder beugt sich zu ihr hinunter und reicht ihr lächelnd die Hand. „Hallo, ich bin der Paul“, stellt er sich vor. Andrea schüttelt die Hand und der Weihbischof erfährt, warum sie sich so freut: Gelegentlich ministriert sie. „Bist du mit deinem Chauffeur da?“, will dagegen Johannes in der „Montage Eins“ wissen. Wobei ihn wohl eher das Auto interessiert hat, scherzt besagter Chauffeur nach einem kurzen Gespräch mit dem Bewohner. Doch Johannes interessiert auch der Weihbischof, mit dem er sich gleich noch fotografieren lässt.

Im Gemeinschaftsraum der Seniorentagesstätte, in dem Beschäftigte der Werkstatt und Förderstätte im Ruhestand leben, ist gerade einiges los. Die Bewohner und Betreuer haben sich zu Kaffee und Kuchen versammelt. Rentnerin Helga Weiß packt ihre Veeh-Harfe aus und beginnt, für eine der Mitarbeiterinnen zu spielen. Am Kaffeetisch um Weihbischof Reder werden die Themen dagegen ernster. Die Betreuer des Seniorenbereichs, Iris Forstner, Leiterin des Bereichs Lebensgestaltung, und der Vorsitzende Ernst Hestermann haben auch von Sorgen zu erzählen. Die Anzahl der Betreuer ginge stetig zurück. Personalmangel? Das sei hier an der Tagesordnung. Manch ein Mitarbeiter habe schon seinen Urlaub abgesagt, weil er in Krankheitsphasen spontan gebraucht wurde. Ein solcher Einsatz sei nicht selbstverständlich, erzählt Forstner dem Weihbischof. Die Organisation der Dienstpläne sei ein Jonglieren mit Urlaubstagen und Randschichten. Die Bewohner des Sankt-Josefs-Stifts brauchen an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr Betreuung.

Gleichzeitig merke man den Mitarbeitenden noch die Nachwirkungen der Coronapandemie an. Arbeiten in Schutzkleidung, bei leichten Öffnungen das Privatleben dem Beruf unterordnen, um die vulnerablen Bewohner nicht anzustecken: All das habe Kräfte gekostet. Langsam verklingt die Veeh-Harfe. Auch für den Weihbischof geht es weiter.

Dass die Menschen im Sankt-Josefs-Stifts viel mit Musik arbeiten, ist übrigens nicht unüblich. Auch im Gottesdienst tauchen viele Lieder und sogar ein kleines Schauspiel auf. Die Bibelstelle, in der Jesus die Kinder zu sich ruft, wird mit Kostümen verdeutlicht. Bei den Gottesdiensten in der Behinderteneinrichtung werde viel mit Bildern gearbeitet, erklärt Forstner. So könnten die Menschen mit Behinderung besser folgen. Auch Weihbischof Reder, der vor den Kirchenbänken neben dem Altar steht, wird in seiner kurzen Predigt bildlich. „Für Gott ist niemand zu klein, für Gott ist niemand unwichtig“, greift er das Schauspiel auf. „Du bist wichtig, du bist richtig“, gibt er den Männern und Frauen mit auf den Weg. „Das können wir einander auch immer wieder sagen.“ Und dann löst Weihbischof Reder noch ein Versprechen ein, das er zuvor im Seniorenbereich gegeben hat. „Vorhin habe ich einen Ministranten getroffen. Er hat zu mir gesagt: Den Segen musst du so machen wie im Dom“, erzählt er. Der Bewohner habe sogar die richtigen Antworten in der Liturgie gekannt. Die lässt der Weihbischof bei diesem Segen nun weg. Doch ganz wie im Dom wird der Segen mit Bischofsmütze und Stab gespendet. Mit Gesang, Gitarre, Klatschen und ein paar Blockflötenklängen verabschiedet sich die Gemeinde kurz darauf von ihrem Besuch.

Der Gottesdienst? Definitiv „anders als im Dom, aber nicht weniger festlich“, sagt Weihbischof Reder nach der Messe. Die Freude über die Lieder, die gemeinsame Feier sei an den Gesichtern der Männer und Frauen direkt ablesbar gewesen. „Das ist schon besonders hier.“ Der ganze Besuch sei ein „Eintauchen in eine neue Welt“ gewesen. Eine derart große und vernetzte Einrichtung habe er zuvor nicht gekannt.

Doch gleichzeitig scheinen auch die Gespräche über Personalmangel, Pflegebedarf und den harten Job der Arbeitskräfte noch nachzuhallen. „Meine Worte reichen nicht aus, um ihre Arbeit zu wertschätzen“, verabschiedet sich der Weihbischof. Er dankt den Mitarbeitenden und bietet seine Unterstützung an. Die Arbeit im Sankt-Josefs-Stift, sie sei keine Arbeit wie jede andere.

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Stichwort: „Sankt-Josefs-Stift Eisingen e. V.“

Das Sankt-Josefs-Stift in Eisingen ist eine dorfähnliche Behinderteneinrichtung, die Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung ein selbstbestimmtes und selbständiges Leben ermöglichen möchte, heißt es auf der Website des Stifts. Viele der Menschen im Stift wohnen in den Wohngruppen. Manche von ihnen kommen auch nur zum Arbeiten in die Einrichtung. Hier gibt es die Möglichkeit, in den Werkstätten mitzuarbeiten, in denen einfache Arbeiten in der Montage oder mit Holz erledigt werden. In der Förderstätte können Menschen, die nicht in der Werkstatt arbeiten können, Angebote wie beispielsweise motorische oder musik-kreative Übungen wahrnehmen. Außerhalb des Geländes in Eisingen besitzt das Stift auch Wohnpflegegruppen in Waldbüttelbrunn, Kitzingen und in Aschaffenburg und engagiert sich in weiteren Projekten. Weitere Informationen auf der Website des Sankt-Josefs-Stifts unter www.josefs-stift.de.

chd (POW)

(2924/0758; E-Mail voraus)

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