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Kirche hat nicht an Bedeutung verloren

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann beim Wallfahrtsgottesdienst für die Dekanate Bad Neustadt, Rhön-Grabfeld, Bad Kissingen und Hammelburg am Freitag, 13. Juli 2007, im Kiliansdom

Liebe Schwestern und Brüder,

„Die Freude an Gott ist unsere Stärke“ (Neh 8,10) steht als Leitmotiv über unserer diesjährigen Wallfahrtswoche.

Dieser aufmunternde Satz wurde in einer schwierigen Zeit geprägt, als die Juden gerade aus der persischen Gefangenschaft (in Babylon) zurückgekehrt waren und anlässlich der Konfrontation mit dem Gesetz in Tränen ausbrachen. Es ist nicht ganz auszumachen, warum sie weinten. War es die Erschütterung nach der schrecklichen Gefangenschaft und Freude über die Heimkehr? War es die Selbsterkenntnis, dass eine große Kluft zwischen Anspruch des Gesetzes und dessen Einhaltung bestand? Oder hatten sie Angst vor der zu erwartenden Strafe bei Gesetzesübertretung? Esra wollte aber keineswegs, dass sie traurig waren. Deshalb munterte er sie auf, indem er darauf verwies, dass die Freude an Gott unsere Stärke ist.

Liebe Schwestern und Brüder,

ich habe bewusst diesen Satz aus dem Buch Nehemia auch als Überschrift über die Richtlinien für die Errichtung der Pfarreiengemeinschaften gesetzt, weil ich weiß, dass vielen unserer Mitchristen die notwendigen Veränderungen in einer Jahrhunderte lang gewachsenen Pfarreienstruktur nicht gleichgültig sein können und Schmerzen bereiten. Das geht mir nicht anders.

Wir leben in einer Zeit, in der trotz wirtschaftlichem Aufschwung und relativem Wohlstand – wenn auch leider nicht für alle – schmerzlich viele Umbrüche festzustellen sind: Die bisher gemeinsamen ethischen Überzeugungen brechen weg. Es werden immer weniger Ehen geschlossen, immer mehr geschieden und immer weniger Kinder geboren. Eine sexuelle Verrohung und eine zunehmende Brutalisierung in der Gesellschaft gepaart mit der Angst vor Terror, greifen um sich. Der in der Gesellschaft spürbar schwindende Glaube mit sichtbar leerer werdenden Kirchenbänken beunruhigt. Was ist zu tun? Es können noch so viele kluge Konzepte erarbeitet werden, Richtlinien und Programme festgeschrieben werden – alles bleibt Makulatur, wenn wir nicht im Glauben an Gott die Freude unseres Lebens finden.

Unsere Kirche hat – entgegen manchen Unkenrufen – nicht an Bedeutung für unsere Gesellschaft verloren. Die gewaltigen Hilfestellungen durch die Kirche sprechen für sich: Ich verweise nur auf unsere Kindergärten und Schulen, Bildungseinrichtungen und Jugendarbeit, Caritas und Altenpflege.

Am Samstag war noch in einer hiesigen Tageszeitung zu lesen: „Seelsorge am Bahnhof boomt. Die Zahlen sind alarmierend. Immer mehr Verzweifelte suchen in den kirchlich getragenen 14 bayerischen Bahnhofsmissionen Hilfe: 2006 waren es bereits 165.000, ein gutes Drittel mehr als im Vorjahr. 736.000 Mal leisteten die Mitarbeiterinnen im vergangenen Jahr Hilfe in kleiner und großer Not…’Neben Menschen in akuter Not werden die Hilfesuchenden mit psychischen Belastungen, Depressionen und Ängsten immer mehr.’ … Und die Hilfesuchenden werden immer jünger. So brauchten 2006 in Bayern doppelt so viel Jugendliche wie im Vorjahr Betreuung. Bei den jungen Erwachsenen bis 27 war es fast ein Drittel mehr.“ (Volksblatt 07.07.07)

Die sozialen Leistungen der Kirche sind unbestreitbar und wohl auch gesellschaftlich anerkannt. Wie aber steht es mit dem geistlichen, spirituellen Auftrag der Kirche? Viele von Ihnen haben sich schon seit langem in der Kirche engagiert. In unterschiedlichen Gremien und Vereinen sind Sie verdienstvoll tätig. Warum tun Sie dies? Heute haben Sie sich auf den Weg nach Würzburg gemacht. Warum? Die vordergründige Antwort lautet sicher: Weil wir an der Kiliani-Bistumswallfahrt teilnehmen wollen, weil wir kirchliche Gemeinschaft erleben wollen. Aber tiefgründiger wird die Antwort wohl ausfallen: Weil wir unseren Glauben stärken lassen wollen.

„Die Freude an Gott ist unsere Stärke!“ Ja, liebe Schwestern und Brüder, nehmen wir uns die Zeit, um bei Gott zu verweilen. Unser Kiliansdom ist die äußere Mitte unseres schönen Bistums. Hier dürfen wir –

 

zusammen mit den Reliquien der Frankenapostel – im Festsaal Gottes miteinander Ruhe und Halt finden. Hier dürfen wir uns vergewissern, dass der Martyrersame der Bistumspatrone Kilian, Kolonat und Totnan durch die vielen Jahrhunderte reichlich aufgegangen ist. Hier dürfen wir in einer großen Schar Glaubender unsere Freude an Gott auffrischen und verinnerlichen.

Erst der Glaube an Gott ermöglicht ein so umfassendes soziales Engagement, wie es aus der Kirche heraus in der Gesellschaft gelebt wird. Ohne die Gewissheit, dass der uns liebende Gott durch alle Höhen und Tiefen des Lebens begleitet und uns in seinem ewigen Heute einst vollenden wird, hätten wir gar nicht die Kraft, die vielen schwierigen Aufgaben anzupacken und durchzuhalten. Wenn in unserer Kirche alles nur nach Leistung und Bezahlung abgerechnet würde, wäre der Tod des Ehrenamtes gekommen. Wie viel schlimmer sähe es dann in unserer Gesellschaft aus.

Deshalb ist es dringend erforderlich, dass wir uns Zeit nehmen für Gott. Das Gebet ist kein Luxus, der nur in Notsituationen zum Tragen kommt. Das tägliche Dank- und Fürbittgebet ist wie das Atemholen der Seele. Die Mitfeier der Gottesdienste und besonders der heiligen Messe, die stille Anbetung vor dem Allerheiligsten und das Rosenkranzgebet, sind neben dem Hören und Lesen des Gotteswortes wichtige Schritte, Gott zu begegnen und die Freude an Ihm zu erfahren. So ist es auch eine dringliche Aufgabe, unseren Kindern und Jugendlichen das Hineinwachsen in den Glauben als eine frohe Erfahrung zu vermitteln. Erst wenn sie begreifen, welchen ‚Schatz wir in irdenen Gefäßen’ erhalten, werden sie mit uns zusammen die Stärke dieser Freude erleben.

Gott ist ein Gott der Freude und der Liebe. Er macht sich unverdrossen auf den Weg zu uns. Die eben gehörte Bergpredigt ist dafür ein eindrucksvolles Zeugnis. „Freut euch und jauchzt an jenem Tag – so hörten wir eben – euer Lohn wird groß sein.“ (Lk 6,23). Deshalb dürfen auch wir uns mit Freude auf den Weg zu Ihm machen. Amen.

(2907/1065)